Auto und Carsharing

Geparkte Autos verbrauchen ein hohes Gut: den Platz im öffentlichen Raum. Besonders beim „Gehweg­parken“ behindern und gefährden sie zudem andere Verkehrs­teilnehmer. Merheimer Straße, Köln-Nippes Foto: Gregor Theis

Geparkte Autos verbrauchen ein hohes Gut: den Platz im öffentlichen Raum. Besonders beim „Gehweg­parken“ behindern und gefährden sie zudem andere Verkehrs­teilnehmer.
Merheimer Straße, Köln-Nippes
Foto: Gregor Theis

Die über 400.000 in Köln gemeldeten Autos haben einen enormen Platzbedarf. Dabei stehen die „Stehzeuge“ durch­ schnittlich 23 Stunden täglich ungenutzt herum. Außerdem verursacht der motorisierte Individualverkehr (MIV) Lärm, Schadstoffe und schwerwiegende Unfälle.

Definition

Entscheidende Stellschrauben im Verkehrsbereich sind die Verkehrsvermeidung und die Verkehrsverlagerung vom eigenen Auto auf umweltschonende Alternati­ven. Eine effektive Strategie zur Verkehrsvermeidung liegt in der Kollektivierung des Motorisierten Individualverkehrs (MIV). Der MIV soll durch Sharing-Lösungen und vernetzte Mobilität ersetzt und so auf ein Minimum reduziert werden.

Der MIV umfasst Autos, Motorräder und Mopeds. Die folgenden Überlegungen beziehen sich vor allem auf den fließenden und ruhenden Autoverkehr, der den Großteil des MIV-Gesamtvolumens ausmacht. Im Fokus stehen sowohl die Wegstrecken, die per Auto zurückgelegt werden, als auch die Flächen, die das Fahren und Parken beanspruchen.

Die aktuell herrschende Meinung, es gäbe ein Recht auf die unentgeltliche Nut­zung vom öffentlichem Raum als Abstellfläche für private Kraftfahrzeuge (Kfz) soll dem Ansatz weichen, dass ein so begrenztes öffentliches Gut wie städtische Gemeinflächen nicht verschwendet werden darf. Dabei geht es sowohl um die Bewirtschaftung und Umwidmung von öffentlichen Parkplätzen als auch um die Vorschriften, die privaten Bauträgern gemacht werden, wie etwa durch den Stellplatzschlüssel (Die Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (§ 51 BauO NRW) schreibt vor, dass „bei der Einrichtung von baulichen Anlagen […] Stellplätze oder Garagen hergestellt“ werden müssen.). Darüber hinaus wird geschaut, wie der private Parkraum sinnvoller und effektiver genutzt werden kann.

Berechnungen und Zahlen der Stadt belegen, dass Köln in den kommenden Jahren um etwa fünf Prozent wachsen wird. Somit wird auch der Verkehr in unserer Stadt zunehmen, wobei schon heute viele Menschen im Stau stehen und Schwierigkeiten haben, einen Parkplatz zu finden. Ein weiterer Anstieg des Auto­verkehrs wird in den Spitzenzeiten zu weiteren Staus führen. Hinzu kommt, dass in Köln eine Autofahrt etwa 20 % länger als geplant dauert. Die durchschnittliche Weglänge beträgt nur etwa 6,9 km, wobei 40 % der Fahrten unter fünf Kilometer betragen. Besonders kurze Wege können mit dem Rad zurücklegt werden.

Politik und Verwaltung sollen dem Wunsch vieler BürgerInnen nachkommen, durch die Förderung von infrastrukturellen Maßnahmen Alternativen zum MIV alltagstauglich und verfügbar zu machen. Parallel soll von Politik und Verwaltung deutlich gemacht werden, dass der MIV keinen vorrangigen Zugriff auf das Gemeingut öffentlicher Raum mehr hat.

Langfristige Ziele Auto und Carsharing

In Zukunft soll der Verkehr in Köln nicht mehr vom motorisierten Individualver­kehr dominiert werden. Dies gilt sowohl für die Wege, die zurückgelegt werden, als auch für die vom Verkehr verbrauchten Flächen. Im Modal Split nimmt der MIV in der Zukunftsperspektive den vierten und damit letzten Platz ein und weist 2030 einen Anteil von 20 % auf. Autos werden für kurze Strecken (unterhalb von 5-10 km) nur noch selten verwendet. Kurze Wege werden zu Fuß oder mit dem Rad zurückgelegt. Für längere Strecken stehen Elektroräder bzw. ein gut ausge­bauter und attraktiver Nahverkehr zur Verfügung. Das CarSharing ist etabliert und stellt die Mehrzahl der Fahrzeuge im Stadtgebiet. Die Anzahl der Fahrzeuge beträgt nur noch 50.000 Autos, und die Autobesitzquote sinkt weiter. Nur noch jeder 50. in Köln besitzt ein eigenes motorisiertes Fahrzeug.

Damit sinkt auch der Flächenverbrauch durch den MIV deutlich. Die freigeworde­nen Flächen stehen in Köln nicht mehr Autos, sondern zum Beispiel dem Stadt­ grün, der Nahmobilität und flexibel genutzten Flächen zur Verfügung. Die bisher zugeparkten Straßenzüge weisen nur noch wenige öffentliche Parkplätze auf. Parken ist bis auf wenige Ausnahmen Privatsache geworden. Die vorhandenen Fahrzeuge werden in Quartiersgaragen und auf privatem Grund abgestellt. Kölns Straßen weisen genügend Platz für Grün, zu Fuß Gehende und Radfahrende auf. Auf den Restflächen fahren Autos, Motorräder, Mopeds, Taxis und die Busse des Nahverkehrs.

Konkrete Maßnahmen

Umwidmung von Parkflächen

442.378 Personenkraftwagen (Pkw) waren Ende 2013 in Köln angemeldet (Stadt Köln – Amt für Stadtentwicklung und Statistik 2014). Laut Verkehrsbaustein des Klimaschutzkonzepts für die Stadt Köln, erstellt vom Wuppertal Institut, existierten im öffentlichen Raum in der Stadt Köln im Jahr 2010 etwa 451.000 Pkw-Stellplätze. In Großstädten wie Köln werden Autos im Durchschnitt nur eine Stunde pro Tag bewegt (Randelhoff, M. 2013) . Außerdem wird geschätzt, dass ein Drittel des Verkehrs in der Innenstadt der reinen Parkplatzsuche dient (APCOA Parking 2013). Diese Verschwendung von Stellflächen und Zeit kann durch die gemeinsame Nutzung von Fahrzeugen auf ein Mindestmaß reduziert werden.

Wir fordern aus diesen Gründen, dass in jedem Jahr 1 % der gesamten öffentlichen MIV-Stellflächen wie folgt umgenutzt werden: Die vorhandenen Parkflächen werden zu ⅓ zu Carsharing-Plätzen, ⅓ geht in eine vergesellschaftete Freifläche über und ⅓ wird für Fahrrad-Abstellanlagen genutzt.

Parkraumbewirtschaftung ausbauen

Wir empfehlen keine wie bisher relativ willkürliche Parkraumbewirtschaftung, sondern eine Bewirtschaftung, in der allen Straßenzüge innerhalb der äußeren Kanalstraße einbezogen werden, die eine hohe Dichte an parkenden Autos auf­ weisen. Z. B. kann im Kerngebiet von Ehrenfeld begonnen werden, wo ungenutzte und alternative Parkflächen, beispielsweise in Tiefgaragen, existieren. Die aus der Parkraumbewirtschaftung gewonnenen Mittel, können für den Bau und den Beitrieb von Quartiersgaragen bereitstehen.

Das Konzept „ParkCent“

Wir befürworten die Einführung eines „ParkCent“-Konzepts, nach dem ein Teil der Einnahmen aus der Parkraumbewirtschaftung fest in den ÖPNV-Ausbau fließen. Dieses Abgabekonzept soll dann auf den gesamten Umweltverbund, also ÖPNV, Fuß, Fahrrad, CarSharing und v. a. die intermodale Verknüpfung zwischen diesen erweitert werden.

Neuordnung des Stellplatzschlüssels

Wir schlagen vor, dass die Stadt Köln den Stellplatzschlüssel für Autos für Neubauten neu ordnet. Aktuell beträgt der Stellplatzschlüssel bei Neubauvorha­ben ein Pkw-Stellplatz je Wohnung oder zwei Rad-Stellplätze je 40 Quadratmeter Wohnfläche. Bei Neubauten könnte die Verwaltung den Stellplatzschlüssel redu­zieren, wenn andere Mobilitätsangebote (beispielsweise der Integration stations­basiertem CarSharing) vorhanden sind oder durch die Neubaumaßnahmen aktiv gefördert werden. Im Gegenzug sollten die notwendigen Fahrradabstellplätze deutlich erhöht werden. Hierzu müsste die Stadt Köln lediglich ihre Richtzahlen­ liste überarbeiten.

Köln sollte alle Möglichkeiten der Landesstellplatzsatzung ausnutzen, um eine einseitige MIV-Förderung zu verhindern. Die Stadt kann hier Spielräume und Ermächtigungen ausnutzen, durch die die Landesregierung Impulse bekommt, über die Landesbauordnung nachzudenken. Die in Baden-Württemberg seit dem 1. März 2015 neu in Kraft getretene Landesbauordnung (LBO 2015) setzt hier neue Akzente und kann beispielhaft herangezogen werden. Bauherren werden pro Wohneinheit zu zwei wettergeschützten und mit wirksamer Diebstahlsicherung ausgestatten Stellplätzen für Fahrräder verpflichtet. Vier Fahrradstellplätze ersetzen dabei einen Pkw-Stellplatz. Spezielle Räume (innerhalb der Tiefgaragen) für Fahrräder, Kinderwagen oder Gehhilfen werden proportional auf den Schlüssel angerechnet. Die Verwaltung kann mit Hilfe einer Neuordnung des Stellplatzschlüssels aktiv eine positive Veränderung des Mobilitätsverhaltens fördern.

Köln sollte zudem Investoren dazu verpflichten, sich um das Thema Umweltver­bund und Multimodalität zu kümmern, anstatt Parkplätze für Autos zu schaffen. Die Stellplatzsatzung sollte dafür genutzt werden, um ÖPNV, CarSharing, (Leih-) Rad oder Fußverkehr attraktiv zu machen. Dies wird auch die jeweils anderen Verkehrsmittel des Umweltverbundes stärken. Die verbleibenden Stellplätze können flächenschonend beispielsweise als Tiefgarage gebaut werden.

Ebenso könnten in Gebieten mit Anwohnerparken der Parkausweis nur an die Kfz-Halter vergeben werden, die in Gebäuden ohne Tiefgaragenstellplätze wohnen. Damit würde vermieden, dass AnwohnerInnen im öffentlichen Raum parken und gleichzeitig den zur Wohnung gehörenden Stellplatz nicht in Anspruch nehmen oder anderweitig vermieten.

Übergreifende Parkkonzepte

Im Rahmen der Entwicklung größerer Bauprojekte mit städteplanerischer Bedeu­tung sollte nicht (nur) mit dem formalen Stellplatzschlüssel hantiert, sondern an übergreifenden Konzepten gearbeitet werden. Bei einer zukünftigen Bebauung beispielsweise des Güterbahnhofs oder des Heliosgeländes in Ehrenfeld könnte eine zentrale Tiefgarage für das gesamte Gelände gebaut werden. Eine gemein­same Planung auch von unterschiedlichen Bauträgern und Eigentümern sowie die spätere gemeinsame Parkraumbewirtschaftung sollte möglich sein, wenn alle Beteiligten dazu willens sind – oder entsprechende Anreize erhalten und Synergieeffekte nutzen. So kann Platz für mehrere Zugänge eingespart und die Wegstrecken durch den MIV im Wohngebiet können reduziert werden.

Gewerbliche Parkflächen für Nachbarschaften

Wir möchten, dass die Stadt Modelle entwickelt, nach denen Nachbarschaften grundsätzlich außerhalb der Geschäftszeiten auf gewerblich genutzte Park­flächen Zugriff haben. Beispielsweise konnten 2013 beim Tag des guten Lebens Anwohner ihre Pkw auf privaten Parkplätzen abstellen. Durch solche Modelle könnten zugeparkte Straßen und Plätze z. B. an Sonntagen und abends von Autos befreit bzw. entlastet werden.

Beim Neubau gewerblicher Großparkflächen könnten Baugenehmigungen nur unter der Bedingung erteilt werden, dass die Nutzung von AnwohnerInnen außerhalb der Geschäftszeiten ermöglicht wird.

Belohnung für die Autoabmeldung und den Nichtbesitz

Die Abmeldung des eigenen Autos könnte von der Stadt belohnt werden: Die Bür­gerInnen profitieren dann nicht nur von dem erst nach und nach fühlbaren Zuge­winn an Lebensqualität über Freiflächen und Schonung der Umwelt, sondern z. B. auch von Vergünstigungen bei CarSharing- und ÖPNV-Kosten. Die Kfz-Melde­ stelle sollte auf Anfrage Zertifikate für Personen ohne angemeldete Pkw aus­ stellen. Auf dieser Basis kann auch für Nichtbesitzer von Autos ein Belohnungs­system eingeführt werden, z. B. KVB-Ermäßigung, CarSharing-Freikilometer, vergünstigte Lastenradausleihe, Freikarten für Museen oder Schwimmbäder.

Attraktivitäts-Reduzierung des MIV auf kurzen Wegen

Wir empfehlen der Stadt, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um zu erreichen, dass kurze Wege zunehmend zu Fuß oder mit dem Rad und nicht mit dem Auto absolviert werden. Hierzu könnte die Stadt eine Kampagne entwickeln, um Autofahrer zu überzeugen, das Auto auf kurzen Wegen stehen zu lassen. Darüber hinaus kann die Stadt die Attraktivität des MIV auf kurzen Wegen einschränken, z. B. dadurch, dass Autos gezwungen werden, weite Umwege in Kauf zu nehmen oder indem die „Brötchentaste“ (15 Minuten umsonst parken) in Parkzonen abgeschafft wird. Zugleich könnten die Bedingungen für Rad- und Fußverkehr verbessert werden, beispielsweise durch das Öffnen von Einbahnstraßen für Rad­fahrer (siehe Kapitel „Öffnung Einbahnstraßen“). Die Stadt Groningen in den Niederlanden hat dies bereits vorbildlich umgesetzt. Die Innenstadt wurde in vier Zonen eingeteilt, zwischen denen Autos nicht direkt hin und her fahren können; dies ist nur mit dem Fahrrad oder zu Fuß möglich.

Stationsbasiertes Carsharing ausbauen

Laut einer Umfrage ersetzt ein Auto des CarSharing-Anbieters cambio bis zu 11 private Pkw. 27 Entscheidend ist ein ausgewogenes Verhältnis von privaten und gewerblichen oder institutionellen CarSharing-Nutzern, dass über eine intel­ligente und professionelle Steuerung eine gleichmäßige Auslastung der Autos gewährleistet. CarSharing kann deshalb zukünftig in Bezug auf den MIV eine zentrale Rolle einnehmen. Eine wichtige Rolle wird deshalb auf die Verbesserung der Rahmenbedingung für das Teilen von Autos und eine parallele Reduzierung von frei verfügbaren Parkplätzen und Fahrspuren spielen.

Wir fordern daher, durch folgende Maßnahmen Flächen für das stationsbasierte CarSharing zu schaffen:

  • Reduzierung des Stellplatzschlüssels bei Neubaumaßnahmen, wenn CarSha­ring Teil der Baumaßnahme oder im nahen Umfeld verfügbar ist (Modell: Stellwerk60, Nippes), inklusive aktiver Bewerbung dieser Möglichkeit im Zuge des Baugenehmigungsverfahrens
  • Erweiterung der möglichen CarSharing-Flächen auf öffentlichem Parkraum
Umweltspuren einführen

Wir halten das Einführen von Umweltspuren für sinnvoll. Die rechte Fahrspur ab zwei Fahrspuren pro Fahrtrichtung aufwärts darf nur von Bussen, Taxis und Autos mit mindestens vier Insassen benutzt werden.

Ausbau des Niehler Gürtels als Autostraße verhindern

Noch immer ist der Ausbau des Niehler Gürtels als innerstädtische Schnellstraße von Mauenheim bis zur Mülheimer Brücke nicht vom Tisch. Wir fordern, dass die­ses Projekt von der Agenda der Stadt genommen wird. In diesem Abschnitt des Gürtels sollte stattdessen eine rad- und fußgängerfreundliche Zone eingerichtet werden, die als Vorbild für andere wichtige Verkehrsprojekte dienen kann.

(Internationale) Vorbilder

Groningen/Niederlande

Groningen / Niederlande: Eine Vielzahl von Maßnahmen führt zu einer beson­ders fahrradfreundlichen Infrastruktur, in der Autos weite Wege zurücklegen müssen und außerhalb der Wohnsiedlungen parken. Siehe http://vimeo.com/76207227

Bremen

Mobilitätspunkte in Bremen: 40 bereits mehrfach ausgezeichnete Stationen in der Stadt, an denen in ÖPNV-Nähe CarSharing-Autos, E-Mobile, Leihfahr­räder etc. zusammengefasst werden. Siehe auch Kapitel „Verknüpfung von Verkehrsmitteln“.

London
Tagsüber Parkverbote in der Innenstadt: Citymaut nach dem Vorbild anderer Großstädte, z. B. Congestion Charge London

Kopenhagen
Aufhebung der MIV-Bevorzugung beim Einsatz von öffentlichen Mitteln

Dortmund
Dortmund: Der Stadtteil Hörde hat sich über die städtische Stellplatzregelung hinweggesetzt, indem er CarSharing, ein Fahrradleihsystem und das Radfah­ren förderte.

 

Schreibe einen Kommentar