Ein effizienter und qualitativ hochwertiger Öffentlicher Per sonennahverkehr (ÖPNV) und Schienenpersonennahverkehr (SPNV) stellt die Basis für eine funktionierende Mobilität insbesondere in größeren Städten bzw. Stadtregionen dar und ist somit auch von großer Bedeutung für die Stadt Köln.
Die Verkehrsentwicklung hat seit jeher die Stadt geformt, ebenso wie die Stadtentwicklung bestimmte Formen von Verkehr erzwungen oder ausgeschlossen
hat. Urbanität und stadträumliche Qualitäten gehen durch die Verkehrsinfrastruktur vielerorts verloren. Schon vor über 50 Jahren forderte Friedrich Lehner, der eine Zeit lang unter anderem die Kölner Verkehrsbetriebe leitete, auf einer Tagung zum Stadtverkehr für eine Förderung des öffentlicher Personennahverkehrs (ÖPNV): „Wir sollten uns […] im Interesse der Erhaltung des Gesichts und des Charakters unserer deutschen Städte auf ein vernünftiges Maß einstellen und heute schon, nicht erst, wenn das Chaos nicht mehr abzuwenden ist, den öffentlichen Verkehrsmitteln, die den relativ immer knapper werdenden Straßenraum mit einem weit höheren Wirkungsgrad auszunutzen in der Lage sind als die individuellen, den Vorrang einräumen“.
Ein effizienter und hochwertiger ÖPNV ist die Basis für eine funktionierende Mobilität insbesondere in größeren Städten bzw. Stadtregionen und somit auch für die Stadt Köln von großer Bedeutung. Vor dem Hintergrund aktueller Debatten, wie etwa über den Klimaschutz, die Klimaanpassung oder die Energiewende, gewinnt das Thema Mobilität und damit vor allem auch der ÖPNV eine besondere Relevanz. Die Verlagerung von Pkw-Verkehr auf Schienenpersonennahverkehr (SPNV) und ÖPNV ist eine von vier zentralen Klimaschutzstrategien im Rahmen des Klimaschutzkonzeptes NRW, das zurzeit entwickelt wird.
Das ÖPNV-Netz der Stadt Köln, bestehend aus Bussen und Stadtbahnen ist am Rande seiner Leistungsfähigkeit, insbesondere in den innerstädtischen Bereichen. Ferner fehlt in Richtung Süden ein leistungsfähiges S-Bahn-Netz. Zwar hat sich der Anteil des ÖPNV am Modal Split des Jahres 2008 im Vergleich zum Jahr 1982 um vier Prozentpunkte verringert, die Anzahl der Fahrgäste insgesamt ist aber in den letzten sieben Jahren stetig gestiegen. So nutzten im Jahr 2013 insgesamt etwa 276 Millionen Fahrgäste die Busse und Stadtbahnen der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB). Jeden Tag sind mehr als 850.000 Fahrgäste mit Bussen und Bahnen in Köln unterwegs.
Aufgabenträger (eine von den Ländern benannte Behörde, die für eine ausreichende Versorgung mit ÖPNV-Verkehrsleistungen zuständig ist) und Verkehrsunternehmen werden künftig zunehmend als Mobilitätsdienstleister die Aufgabe haben, Verkehrsmittel unterschiedlicher Art in ein bedarfsgerechtes Angebot zu integrieren. Die umfangreichen Kundenkontakte der Verkehrsunternehmen eröffnen Perspektiven zur Erweiterung ihrer Geschäftsfelder bzw. für Kooperationen mit in den entsprechenden Segmenten tätigen Partnern. Die Aufgabenträger nehmen neben ihren gesetzlichen Aufgaben eine ordnende,
strukturierende, empfehlende und umsetzende Rolle zwischen (Verkehrs-)unternehmen und Bürgerschaft ein. Sie werden auch stärker die Aufgabe über nehmen müssen, zukunftsweisende Trends, gesellschaftliche, wirtschaftliche, politische und technische Entwicklungen im Hinblick auf das Mobilitätsbedürfnis der BürgerInnen zu beobachten und in der politisch gewünschten Ausgestaltung voranzutreiben.
Wichtigstes Ziel ist es, den ÖPNV langfristig als stabile Grundlage des urbanen Verkehrs in Köln zu entwickeln. Nur mit dem öffentlichen Personennahverkehr als Basis und weiteren damit verknüpften flexiblen Mobilitätsangeboten wird es möglich sein, attraktive Alternativen zum Pkw-Besitz zu schaffen. Übergeordnete Ziele werden zum Teil aus dem Abschlussbericht der Zukunftskommission ÖPNV des NRW-Landesministeriums aus dem Jahr 2013 übernommen und durch weitere Ziele ergänzt:
- Sicherung der Mobilität, die für alle BürgerInnen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gewährleistet
- Anpassung der Infrastruktur an die Anforderungen des demographischen Wandels
- Stärkung des ÖPNV als wesentliches Element des Gesamtverkehrs
- Sicherstellung der erforderlichen Kapazität
- Einbindung und gegenseitige Unterstützung von Fahrradverkehr, Fußgänger
verkehr und öffentlichem Verkehr sowie aller Formen gemeinsamer Pkw- und
Fahrradnutzung - Ausbau kombinierter Angebote an der Schnittstelle MIV / ÖPNV
- Finanzielle Stärkung des ÖPNV insgesamt, ggf. auch zu Lasten des MIV
- Verbesserung der Integration in den Stadtraum unter Beachtung einer Balance
zwischen Mobilitätsbedürfnissen und städtebaulichen Ansprüchen
Konkrete Maßnahmen
Um die im Vorfeld aufgezählten Ziele erreichen zu können, sind große Anstrengungen unterschiedlicher Akteure notwendig. Die Einzelmaßnahmen bzw. Handlungsempfehlungen werden zur besseren Übersichtlichkeit folgende Kategorien eingeteilt:
- Netzausbau und Angebotserweiterung
- Gestaltung der Haltestellen
- Service und Komfort
Netzausbau und Angebotserweiterung
Die bereits angesprochene Arbeitsgruppe Verkehr für die Entwicklung von Strategien und Maßnahmen zur Aufnahme in den Klimaschutzplan NRW empfiehlt der Landesregierung, die finanzielle Förderung des qualitativen und quantitativen Ausbaus öffentlicher Verkehrsmittel auszuweiten und die Verteilung der zusätzlichen Gelder an klimaschutzrelevante Kriterien zu knüpfen. Dabei können u. a. Engpässe im Netz beseitigt oder Kapazitätsverbesserungen durch Taktverdichtungen bzw. den Einsatz von Doppelstockwagen sowie Busspuren nach individueller Problemlage ermöglicht werden.
In Köln fehlt es vor allem im südlichen Stadtbereich an einer Verbindung der beiden Rheinseiten. Für viele Linien müsste die Beförderungskapazität erhöht werden. Außerdem sollten vor allem diese Strecken durch zusätzliche Angebote ergänzt werden. Wichtig ist jedoch auch eine flächendeckende Netzgestaltung, sodass auch die weniger dicht besiedelten Stadtbereiche gut an den öffentlichen Personennahverkehr angebunden werden können.
Bei der Planung neuer Stadtteile bzw. Stadterweiterungen ist unbedingt erforderlich, an die Einrichtung eines leistungsfähigen ÖPNV zu denken. Mit den folgenden Einzelmaßnahmen ist es möglich, den ÖPNV und SPNV quantitativ und qualitativ
auszubauen:
- Kapazitätsausbau der Ost-West-Verbindungen (u. a. Strecke Weiden-Neumarkt)
- Einrichtung einer rechtsrheinischen Ringstrecke (Stadtbahn von Mülheim bis Ostheim)
- Verstärkung des Busangebotes auf bisher nicht bzw. schlecht bedienten, aber nachgefragten Strecken (z. B. Busverbindung zwischen Heumarkt und Sülz über die Bäche)
- Ausbau des S-Bahn-Westrings zur Entlastung des innerstädtischen Stadtbahnnetzes
- Oberirdische Verlängerung bestehender Stadtbahnlinien (z. B. Linien 3 bzw. 4 nach Widdersdorf, Linie 7 nach Zündorf-Süd oder Linie 13 vom Sülzgürtel zum Bayenthalgürtel)
Bessere Verknüpfung traditioneller und neuer Verkehrsdienstleistungen, siehe Kapitel „Verknüpfung von Verkehrsmitteln“
Wie der „letzte Kilometer“ zurückgelegt werden kann, wenn man aus Bus und Bahn aussteigt, wird zu Recht oft diskutiert. Das Problem wird vor allem auch von BürgerInnen genannt, um die Benutzung ihres Pkw zu rechtfertigen. Gewiss gibt es hierfür keine Generallösung, doch sollte über Alternativen nachgedacht und diese im Raum erprobt werden.
Das Bestreben der Stadt Köln sowie der KVB, ein flächendeckendes, stationäres Fahrradverleihsystem anzubieten, begrüßen wir ausdrücklich. Um dabei die übrigen Angebote des ÖPNV / SPNV zu stärken, ist es wichtig, diese bzw. ähnliche Angebote sowohl tariflich als auch baulich einzubinden. Diese Maßnahmen sollten die Stadt Köln, die Deutsche Bahn (DB) und auch weitere potenzielle Akteure aktiv unterstützen und gegebenenfalls notwendige Flächen bereitstellen, damit der Prozess beschleunigt werden kann.
Um Kunden zu binden und neu zu gewinnen und um die Notwendigkeit zur Autonutzung im abendlichen und nächtlichen Berufs- und Freizeitverkehr zu reduzieren, muss das ÖPNV-Angebot in den Abend- und Nachtstunden verbessert werden. Der Stadtbahn-Nachtverkehr am Wochenende wurde in den letzten Jahren verbessert, da das Konzepts des Verkehrsclub Deutschland (VCD) auf den Hauptstrecken umgesetzt wurde. Nun sollte überprüft werden, ob die Angebote um zusätzliche Buslinien ergänzt werden können.
Gestaltung der Haltestellen
Da sich die Anteile des Radverkehrs am Modal Split in Köln weiter erhöhen, ist damit zu rechnen, dass immer mehr Menschen den Weg zur Haltestelle mit dem Rad zurücklegen. Dadurch wird der öffentliche Verkehr nachhaltig gestärkt und der Einzugsbereich von Haltestellen und Bahnhöfen um ein Vielfaches erweitert.
Eine besondere Herausforderung ist dabei die Sicherung abgestellter Fahrräder an Haltestellen und Bahnhöfen vor Diebstahl und Vandalismus. Für potentielle NutzerInnen ist ein wirksamer Schutz der abgestellten Fahrräder das wichtigste Argument für das Fahrrad als Kombinationsverkehrsmittel. Außerdem verbessert die wachsende Zahl ungeordnet abgestellter Fahrräder an Bahnhöfen nicht gerade das Stadtbild und städtebauliche Umfeld. Beobachtet werden konnte dies zum Beispiel am Bahnhof Ehrenfeld während des Streiks im öffentlichen Dienst im Jahr 2014, der ein Aussetzen des ÖPNV zur Folge hatte. Dieses Ereignis zeigte jedoch auch, welche Potenziale der Radverkehr in Verbindung mit dem ÖPNV / SPNV hat.
Fahrradstationen und Fahrradparkhäuser ermöglichen kontrolliertes Parken gegen Entgelt und wirken so dem Fahrraddiebstahl und Vandalismus an Fahrrädern wirksam entgegen. Weitere Dienstleistungen wie Fahrradservice und -reparaturen, Fahrradvermietung oder Kurierdiensten können zusätzlichen Mehrwert schaffen und der fatalen Entwicklung von Bahnhöfen ohne soziale Kontrolle entgegenwirken.
In Zukunft müssen sämtliche Nutzergruppen gleichrangig berücksichtigt werden (mit besonderer Berücksichtigung von Kindern, älteren Menschen und Menschen mit Behinderungen). Das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) schreibt in § 8 vor, dass Kommunen in ihren Nahverkehrsplänen grundsätzlich die Belange der in ihrer Mobilität oder sensorisch eingeschränkten Menschen berücksichtigen müssen, mit dem Ziel, für die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs bis zum 01. Januar 2022 eine vollständige Barrierefreiheit zu erreichen.
An vielen Bahnhöfen und Haltestellen Kölns ist dies sicher schon geschehen. In jüngerer Vergangenheit ist z. B. die Haltestelle Liebigstraße der Stadtbahnlinie 5 barrierefrei umgebaut worden. Lobend zu erwähnen ist auch die Linienplan „Touren ohne Treppen“, der von der KVB bereitgestellt wird. Dieser Plan enthält alle Straßen- und U-Bahn Linien der KVB mit Erläuterungen zur Rollstuhltauglichkeit der einzelnen Haltestellen.
Dennoch ergibt sich an einigen Haltestellen dringender Handlungsbedarf. Insbesondere ist die Stadt Köln aufgefordert, die zuständigen Akteure mit Nachdruck zum Handeln zu bewegen. Besonders gilt dies für drei der vier wichtigsten Bahn höfe in Köln:
- Köln Südbahnhof (barrierefreie Gleiszugänge, Ergänzung 2. Abgang Dasselstraße)
- Bahnhof Köln Messe / Deutz (barrierefreie Verknüpfung ÖPNV / SPNV /
Regional- und Fernverkehr) - Bahnhof Köln-Mülheim (barrierefreie Verknüpfung ÖPNV / SPNV /
Regionalverkehr)
Hier ist der Regionalverkehr immer noch ausschließlich über Treppen zugänglich.
In diesen konkreten Fällen muss die Stadt Köln Druck auf die Deutsche Bahn ausüben, endlich aktiv zu werden und die Barrierefreiheit unabhängig von anderen Maßnahmen (Sanierung der Brücken etc.) sofort umsetzen, im Zweifel auch zunächst auf provisorischem Wege, siehe Aufzug an der Haltestelle Severinstraße während der Bauzeit für die Nord-Süd-Stadtbahn.
Das Empfinden von Unsicherheit gilt als ein zentrales Problem im ÖPNV. Vor allem abends und nachts fühlen sich einige Fahrgäste unsicher, da sie tätliche Angriffe und Belästigungen fürchten. Das beeinträchtigt die Attraktivität des gesamten ÖPNV-Systems, was unter anderem zu Einnahmeausfällen führen kann. Es wird daher dringend empfohlen, Maßnahmen zu ergreifen, die die subjektive Sicherheit an Haltestellen erhöhen. Damit sind übrigens nicht Angestellte von Wachdiensten mit Hunden gemeint – sie vermitteln nicht per se ein Gefühl von Sicherheit.
Vielmehr sollte geprüft werden, ob die Sicherheit an einzelnen Haltestellen z. B. durch eine bessere Beleuchtung, die Schaffung eines weiteren Bahnsteigzugangs oder die bessere Einsehbarkeit der Anlagen erhöht werden kann.
Service und Komfort
- Die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln muss bezahlbar bleiben, um eine attraktive Alternative zum Pkw darzustellen.
- Die Preisgestaltung – vor allem bei Fahrten, die über einen Verkehrsverbund
hinausgehen – sollte transparenter kommuniziert werden. - Bei der Bezahlung an Fahrkartenautomaten besteht dringender Handlungsbedarf: Derzeit akzeptieren die Automaten keine Geldscheine und erschweren Gelegenheitsfahrern unnötigerweise das Bezahlen, außerdem treten noch zu
häufig technische Probleme auf. - Wünschenswert sind Tarife, die z. B. die Nutzung von Fahrradverleihsystemen
integrieren.
Wir fordern eine neue Finanzierungsform für den ÖPNV. Die Stadt Köln soll dafür unter Beteiligung der BürgerInnen ein Konzept erarbeiten und innerhalb der aktuellen Ratsperiode mit seiner Umsetzung beginnen. Ergebnisse dieses Prozesses könnten beispielsweise eine ÖPNV-Steuer nach Einkommen, ein verpflichtendes Bürgerticket nach Vorbild der Rundfunkgebühr oder auch ein kostenfreier, steuerfinanzierter ÖPNV sein.
Das immer wieder vorgebrachte Argument, dass die beschränkte Infrastruktur überlastet wäre, lässt sich übergangsweise auch kurzfristig lösen, z. B. durch Schnellbuslinien auf eigenen Busspuren.
Um die Attraktivität des ÖPNV zu erhöhen, sollen häufiger Zugbegleiter in Bussen und Bahnen eingesetzt werden, vor allem in den Randzeiten. Dies kann neben verbessertem Service zu einer Zunahme der Sicherheit und Sauberkeit in den Fahrzeugen führen. Der ÖPNV kann so erheblich attraktiver werden. Neben dem objektiven lässt sich auch das subjektive Sicherheitsgefühl der Fahrgäste durch eine solche Maßnahme erhöhen.
(Internationale) Vorbilder
Ein Beispiel für die Attraktivitätssteigerung des ÖPNV ist die konsequente Trennung des ÖPNV vom Straßenverkehr durch die Anlage von Busspuren oder abgetrennten Gleisanlagen. Wenn beispielsweise Fahrbahnen zu Busspuren umfunktioniert werden, geht diese Maßnahme zu Lasten des MIV. 1997 waren schon 73 % der Straßenbahnkilometer und 8 % der Buskilometer vom Individualverkehr getrennt. Diese Maßnahme wird weiter ausgebaut und führt auch zu einer Verbesserung der Pünktlichkeit des ÖPNV.
Die Universitätsklinik Tübingen wollte ein neues Parkhaus bauen. Einen Bebauungsplan stellte die Stadt aber erst in Aussicht, wenn alle Möglichkeiten für Verkehrsvermeidung und Mobilitätsmanagement ausgereizt wären. Ergebnis: Es wurde ein Jobticket mit sehr günstigen Bedingungen für die 9.000 Beschäftigen der Universitätskliniken eingeführt.