Die Stadt gestalten, eine Straße sperren, sich für Nachhaltigkeit einsetzen und irgendwie auch für Kreativität und Nachbarschaft – es gibt nicht zu übersehende Parallelen zwischen dem “Tag des guten Lebens” sowie dem für das am 23. Juni 2019 geplante “Strassenland”-Festival.
Und weil wir immer wieder gefragt werden, was wir davon halten, auch aufgrund der Absage durch das Ordnungsamt 2018: Hier eine Stellungnahme!
Alle zusammen.
Je mehr Menschen sich in Köln für einen nachhaltigen Wandel einsetzen, desto besser. Der Tag des guten Lebens wollte immer einen Impuls setzen und Anregungen geben, neue Zielgruppen für Nachhaltigkeit und die Chancen einer menschengerechten Stadtgestaltung zu begeistern.
Uns war dabei immer klar, dass wir aus der Nische raus müssen. Wir haben in den vergangenen fünf Jahren hunderttausende Menschen mit dem Tag des guten Lebens erreicht – und das nicht nur in den Veedeln selbst, sondern in ganz Köln: Tausende Menschen haben sich aktiv beteiligt, und das aus allen Bevölkerungsschichten und Kreisen. Am Tag des guten Lebens haben immer schon Unternehmen teilgenommen, die mit hohem ökologisch-sozialem Anspruch unsere Ziele mitverfolgen.
Auch die Macher von Strassenland sind vom Tag des guten Lebens inspiriert und haben dort Appetit auf Nachhaltigkeit bekommen. Dass sie die Themen jetzt mit ihrem Ansatz und ihrer Perspektive weitertragen begrüßen wir: Für den Wandel müssen wir alle zusammen an einem Strang ziehen. Wenn sich nun auch klassische Unternehmen Schritt für Schritt in Richtung Wandel begeben und sich an einem Event wie Strassenland beteiligen ist das ein gutes Zeichen.
Denn dass es Strassenland in der jetzigen Form gibt, zeigt auch, wie weit bestimmte Themen mittlerweile in die Kölner Stadtgesellschaft vorgedrungen sind.
Als wir angefangen haben, war das Thema “autofrei” noch ein Tabu und Elektromobilität weit weg. 2013 haben wir uns bewusst gegen den Titel “autofreier Sonntag” entschieden – sondern dafür, mit dem “Guten Leben” das zu betonen, was in den autofreien Räumen dann blühen kann und soll. Heute wird mit großer Mehrheit eine (zumindest teilweise) autofreie Altstadt beschlossen und die Nord-Süd-Fahrt zur Showstrecke für den laufenden Wandel auch in der Antriebstechnik.
Nicht alles gleich.
Ist Strassenland dann einfach nur ein neuer Tag des guten Lebens?
Nein, denn es gibt doch eine Reihe deutlicher Unterschiede.
Zum ersten arbeiten wir intensiv mit den Nachbar*innen zusammen – und zwar allen, die im Gebiet des Tag des guten Lebens wohnen. Zum einen weil wir überzeugt sind, dass wir alle Nachbar*innen in den Wandel der Stadt einbinden müssen, zum anderen, weil diese direkt von den Parkplatzsperren am Tag des guten Lebens betroffen sind. Dies ist bei Strassenland anders: An der Nord-Süd-Fahrt direkt wohnen fast keine Menschen, wer von Strassenland nichts mitbekommen möchte, fährt einfach woanders lang.
Zum zweiten ist uns wichtig den Wandel dort erfahrbar zu machen, wo die Menschen leben, arbeiten und feiern: Mitten in den Stadtquartieren. Und wir führen diese Arbeit auch nach dem Tag des guten Lebens weiter, bringen Menschen bei Veedelstreffen zusammen, entwickeln Projekte im und mit dem Stadtteil. Auch hier hat Strassenland einen anderen Ansatz: Die Nord-Süd-Fahrt als Relikt der autogerechten Stadt hat keine Ladenlokale und kaum Fußverkehr.
Zum dritten sind wir tatsächlich “autofrei” – soweit das in einem Quartier mit hunderten Parkplätzen und Tiefgaragen eben möglich ist. Strassenland wird zu einem recht umfangreichen Teil zur Elektroauto-Teststrecke. Das ist nicht schlecht und Elektromobilität ein wichtiger Bestandteil der Mobilitätswende. Aber nur die Antriebstechnik zu tauschen, löst keines der zahlreichen Probleme, die der motorisierte Individualverkehr verursacht.
Zum vierten setzt der Tag des guten Lebens auf “nicht-kommerzielle” Angebote. Die nachbarschaftlichen Aktivitäten und das zivilgesellschaftliche und bürgerliche Engagement rund um das Thema Nachhaltigkeit stehen im Vordergrund und werden ergänzt durch Angebote von Gastronom*innen aus dem Gebiet, außerdem gibt esInfostände von ausgewählten echten sozial-ökologischen Sponsoren. Es gibt keine großen Bühnen und keine Standard-Verkaufsstände, die zum entgeltlichen Konsum anregen. Bei Strassenland wird dies wohl anders – zudem werden zahlreiche Großunternehmen werblich präsent sein.
Zuletzt ist der Tag des guten Lebens ein gemeinnütziges, gemeinwohlorientiertes und bürgerschaftliches Projekt. Sollten wir einen Überschuss machen, muss dieser für gemeinnützige Zwecke ausgegeben werden. Zudem können Interessierte bei uns mitmachen und sich engagieren – zum Beispiel beim Offenen Projektplenum. Unsere Finanzen haben wir immer wieder offengelegt. Bei Strassenland fließen Gewinne dagegen an die Gesellschafter der HKE GmbH (deren ursprünglicher Zweck “die Veranstaltung von Events, insbesondere der Motorradmarke Harley Davidson, und alle damit im Zusammenhang stehenden Leistungen, wie Marketing, Vertrieb und Gastronomie” war oder ist – wobei es ja durchaus auch ein Zeichen des Wandels ist wenn man sich die GmbH statt klassischen Motorrädern jetzt der Elektromobilität widmet), das Event wird von professionellen Agenturen umgesetzt.
Wir sind gespannt.
Wir sind gespannt auf den 23. Juni 2019 und werden, zum Beispiel auf dem Weg zum “Tägchen des guten Lebens” in Deutz (der nur zufällig am gleichen Tag stattfindet), mit Sicherheit vorbeischauen.
Wir sind (ehrlich) gespannt darauf, wie sich Großsponsoren, Elektromobilitätsstrecke, Essensbuden und Bühnen mit dem Anspruch, eine andere Stadt erlebbar zu machen, vertragen.
Wir sind gespannt darauf, welche Menschen zu Strassenland kommen.
Wir sind gespannt darauf, eine autofreie Zone jenseits von Marathon und Rund um Köln zu erleben, ohne selber die Verantwortung zu tragen.
Und wir hoffen, dass sich neben den Strassenland-Machern noch viele weitere Menschen unserem Einsatz für eine andere, bessere “Stadt des guten Lebens” anschließen.
Hallo ihr Lieben,
ich bin zwar bisschen spät mit meinem Kommentar, aber wo der Artikel so präsent auf der Internetseite steht…
Ich bin etwas erschrocken, die Stellungnahme ist ja sehr freundlich formuliert 🙂
Aber vielleicht müsste Straßenland auch etwas deutlicher benannt werden, als neoliberale Antwort auf einen Tag des guten Leben. Eine Top-down-Veranstaltung, die einen riesigen Bereich zur Verfügung gestellt bekommt, um Werbung für einen kapitalistischen Lebensstil zu machen, der keinen relevanten Wandel hervorrufen wird, sondern einfach nur positive Energien – wie sie beim TdgL entstehen – versucht zu absorbieren.
Durch Straßenland wird keine Straße grüner, denn die werden nach wie vor gebraucht, für die ganzen Autos, die von den Ausstellern verkauft werden sollen.
PS: Liebe Agora-Leute. Auch an der Nord-Süd-Fahrt wohnen Leute. Diese sind vermutlich schon ausreichend marginalisiert, eine Anpassung des Satzes im Artikel wäre freundlich.
Schön, dass jede Menge Berufsprotestierer und Händler den Handelsfreien Sonntag als Einnahmequelle von unseren Steuermittel mitfinanziert (Strassensperrenaktion kostet eben) bekamen und uns auf den Keks gegangen sind. Ich hoffe, dass ihr alle besonders grossen Erfolg gehabt habt, unter sich geblieben seid und mit sich selbst „gut gefeiert“ habt. Ich hoffe, dass der dt. Michel die Stadt gemieden und das kostenlose Ticket dazu genutzt hat aus der Stadt zu flüchten.
Abgesehen davon, dass Strassenland nicht unsere Veranstaltung war: Die Sperrungen bei Strassenland wurden eben nicht durch Steuermittel finanziert – sondern durch die Sponsoren. Die „Berufsprotestierer“, die ich da kenne, sind im Großen und Ganzen ehrenamtlich unterwegs (zB der ADFC oder NeuLand). Das Publikum war ziemlich gemischt, und es waren eine Reihe deutscher Michel da. Ich hoffe, Sie haben einen ruhigen, entspannten Tag irgendwo draußen genossen!
Hallo Agora,
wurdet ihr den eigentlich angefragt, euch bei Straßenland zu beteiligen?
Beste Grüße aus dem Eigelstein, Karin Schmölzer
Ja, wurden wir! Saßen schon recht früh zusammen und haben uns ausgetauscht. Die Kidical Mass Köln war z.B. dabei. Mit einem Stand waren wir ja nicht dabei, auch eine Frage der Ressourcen…